Wie steht es eigentlich um die Digitalisierung deutscher Schule? Als ich Deutschland vor 4 Jahren verlassen habe, war es schlecht bestellt. Handyverbote in deutschen Klassenzimmern, Tablets und Laptops waren extrem selten in Schülerhand während des Unterricht zu sehen, Whiteboards mit Beamern fanden sich ebenso wie Overheadprojektoren und klassische Kreidetafeln noch immer in den Klassenzimmern. In den Lehrerzimmern stapelten sich die Arbeitsblätter, Kopiervorlagen und Aktenordner.
Das Internet lief über diverse Server, aber keiner konnte so recht erklären, warum und woher es eigentlich kam und wie das Schulsystem digitalisiert werden sollte.
Als ich nach China gezogen bin, habe ich stundenland vor meinem Scanner gesessen und das Leben in meiner 40 Quadratmeter Wohnung digitalisiert und auf Festplatten gebracht. Alles, womit ich reisen wollte, sollte mir digital zur Verfügung stehen und bis auf eins bis zwei Dinge, die ich gerne noch auf meinem viel zu langen Ausflug ins Land der Mitte bei mir gehabt hätte, war ich perfekt vorbereitet, um überall auf der Welt unterrichten zu können.
Heute, fast fünf Jahre später find ich gemischtes Feedback in den Nachrichten über Deutschland. Einige Schulen scheinen erheblich aufgeholt und nachdigitalisiert zu haben, gerade aufgrund der Corona-Pandemie während andere extrem hinterher hinken und es kaum schaffen, mit den 'neuen' Medien Schritt zu halten.
Das liegt zum einen natürlich am Finanzierungsstau. Wer kein gut ausgestattetes Gebäude, keine intakte Turnhalle, und den Bücheretat überstrapaziert hat, der kann nicht an Digitalisierung denken oder wird unweigerlich damit konfrontiert, wer die Kosten, die Wartung der Geräte, die Programmierung und die professionelle Weiterbildung bezahlen soll.
Zum anderen ist es auch eine gewisse Trägheit der Deutschen, sich zur Digitalisierung zu bekennen, geeignete System zu finden, neues auszuprobieren und Digitalisierung im Mikrokosmos Klassenzimmer zu initiieren. Wer als Lehrer Angst hat, die Kontrolle zu verlieren, wenn Lernende ihre Smartphones und Tablets auf den Tisch packen, wem beim Gedanken an Datensicherung, Schutz von Persönlichkeitsrechten und dem Einsatz sozialer Medien der kalte Schweiß ausbricht, der hat wahrscheinlich schon innerlich resigniert und wird sich davon bis auf eine kleine Recherchehausaufgabe auch nichts abgewinnen können.
Aber die Gegenbewegung ist bereits unterwegs. Lehrer mit Tablets vor der Klasse, Online-Klassenzimmer wie die Programme hier auf der Website, Podcasts, Youtubevideos von Lehrenden und Lernenden sind bereits auf dem Weg. Es braucht einen langen Atem für die digitale Revolution in Deutschlands Schulen, aber sie wird kommen und sie wird sich zwar zunächst langsam, aber dann doch stetig weiterentwickeln bis jeder Lernende in Deutschland und auf der ganzen Welt das Recht und die Chance erhält, sich weiterzubilden und das egal, ob online, offline, in der Schule, von Zuhause aus oder unterwegs.
Lebenslanges Lernen und digitales Lernen sind unerfüllte Versprechen, die meiner Generation gegeben wurden und ich werde mich bemühen, stetig daran zu arbeiten, diese Versprechen für kommende Generationen einzulösen.
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